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09 Dec
09Dec

Medienbericht über Medizinische Hypnose – Wie ich meine Zahnarzt-Angst loswurde

Bohren, spritzen, feilen: Viele Menschen bekommen Panik, wenn sie eine Zahnarztpraxis betreten. Einfache Hypnosetechniken können dagegen helfen. Eine Autorin hats ausprobiert.

Die Hypnose findet an einem Ort statt, den man normalerweise so ganz und gar nicht mit Entspannung verbindet: Ich befinde mich in einer Zürcher Zahnarztpraxis. Um bei seinen Patientinnen und Patienten die Angst vor der Behandlung zu reduzieren, arbeitet der Zahnarzt mit Hypnose.

Wissenschaftlich ist seit langem erwiesen, dass Hypnose funktioniert, wenn sich Menschen aus eigener Entscheidung darauf einlassen. Bildgebende Verfahren zeigen eine Veränderung von Hirnarealen, die für Aufmerksamkeit, bildliche Vorstellung, kritisches Denken und Schmerzwahrnehmung zuständig sind.

Vor der Erfindung von Narkose- und Schmerzmitteln im 19. Jahrhundert nahm die Hypnosetechnik eine wichtige Rolle ein bei medizinischen Behandlungen. Heute wird sie vielerorts wiederentdeckt und in therapeutischen Settings angewendet.

In der Regel handelt es sich um Zustände, in denen die hypnotisierte Person nicht komplett weggetreten und willenlos ist, sondern um eine Art entspannte Wachzustände mit fokussierter Aufmerksamkeit.

Bei psychischen Beschwerden zum Beispiel ermöglicht die Trance den Zugang zu Erinnerungen, Traumatisierungen und Gefühlen. Die temporäre Verminderung der Kontrollmechanismen soll Veränderungen erleichtern.

Bei körperlichen Beschwerden dagegen wird Hypnose mit dem Ziel eingesetzt, durch Entspannung Ängste und Schmerzmittel zu reduzieren. Unter anderem arbeitet das Kinderspital Genf mit der Technik. Routinierte Spezialisten wagen es zudem, Operationen in Hypnose ohne Betäubung durchzuführen.

Traumatisierungen lösen

Dies sei aber in seiner Praxis nicht das Ziel, erklärt der Zahnarzt. Vielmehr will er seinen Patienten, die teilweise aufgrund früherer Erlebnisse traumatisiert sind, neue, möglichst positive Erfahrungen ermöglichen, welche die negativen Erinnerungen allmählich ablösen.

Bei Kariesbehandlungen setzt er eine Spritze und betäubt vorher sogar noch die Einstichstelle. «Es darf auf keinen Fall wehtun», betont er. So will er das Vertrauen wieder aufbauen.

Meist lädt er neue Patienten zuerst einmal zu einem Gespräch ein und gibt ihnen eine kleine Demonstration, bei der er gleich eine Zahnreinigung vornimmt.

Wegen ihrer negativen Erlebnisse lässt sich auch eine weitere Patientin seit etwa fünf Jahren beim Zahnarzt mit Hypnose behandeln. 

«Früher konnte ich in der Nacht davor meist nicht schlafen», erzählt die 45-Jährige. 

Einmal habe sie bei einer Röntgenaufnahme einen Würgereiz bekommen, worauf sie der damalige Zahnarzt angeschrien habe. Darauf ging sie einige Jahre gar nicht mehr hin.

Nun habe sie beim Hypnose-Zahnarzt wieder Vertrauen fassen können, erzählt die Frau aus dem Kanton Zug. Auf der Liege reist sie jeweils in Gedanken nach Finnland, wo ihre Eltern ein Ferienhaus mit Sauna besitzen und sie sich sehr wohl fühlt. 

Häufiges Phänomen

Dank dieser Methode hat sie es sogar bereits geschafft, sich einen Zahn ziehen zu lassen. 

«Mittlerweile freue ich mich schon fast auf die Behandlungen», sagt die Patientin. «Ich hoffe, dass ich bald wieder zu einem normalen Zahnarzt gehen kann.»

Während seines Zahnmedizinstudiums sei Angst noch kaum ein Thema gewesen, erzählt der Zahnarzt. Dies, obwohl das Phänomen sehr verbreitet sei. Tatsächlich: Gemäss Umfragen in Deutschland vermeiden rund 5 Prozent der Menschen deswegen den Zahnarztbesuch.

Um diese Situation zu verbessern, absolvierte der Zahnarzt eine mehrtägige Ausbildung für Hypnose und frischt seine Kenntnisse regelmässig auf. 

«Es braucht etwas Übung, die Patienten in der Entspannung anzuleiten und gleichzeitig zu arbeiten», sagt er. 

Zudem brauche er mehr Zeit, weshalb die Behandlung auch etwas teurer sei. Schade findet er, dass ausgerechnet Menschen, die zum Beispiel wegen psychischer Erkrankungen besonders ängstlich sind, sich die Hypnose oft nicht leisten können.

Zum ersten Mal nicht verkrampft

Inzwischen liege ich physisch in der Zahnarztpraxis, aber in meiner Vorstellung in meinem Garten. Ich höre die Vögel zwitschern, die Himbeeren sind reif. 

«Heben Sie nun ab und schweben über dem Liegestuhl», fährt der Zahnarzt weiter. «Fliegen Sie an einen anderen Ort in der Natur, der Ihnen gefällt.» 

Und schon sitze ich am Ufer der Aare, spüre die Sonne auf der Haut und plansche mit den Füssen im Wasser.


«Öffnen Sie nun langsam den Mund», höre ich die Stimme von weit entfernt und folge der Anweisung. 

Wie vereinbart, wird der Zahnarzt bei mir eine kleine Zahnreinigung ausführen. Bei der Dentalhygienikerin empfinde ich das Schaben an den Zähnen und Stochern in den Zwischenräumen jeweils als ziemlich unangenehm. Ich nehme mir stets vor, mich zu entspannen, doch kurz darauf liege ich wieder mit verkrampften Händen da, runzle die Stirn, starre das grelle Licht an der Decke an und hoffe, dass die Prozedur bald vorbei ist.

«Es hat funktioniert»

Nicht so nun bei meiner kleinen Hypnose-Selbsterfahrung. Klar, auch diesmal ist es nicht gerade ein Wellnesserlebnis. Ich spüre ein leichtes Stechen. Doch ich bleibe dabei entspannt, und meine Hände liegen locker auf meinen Beinen.

Allmählich heisst mich die Stimme, wieder zurückzukommen. Ich nehme eine Hand auf meiner Schulter wahr und öffne langsam die Augen. 

«Sie haben ruhig und tief geatmet», meldet mir der Zahnarzt zurück. «Die Hypnose hat bei Ihnen gut funktioniert.»

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